Nordische Kühle und südliche Unbeschwertheit

September 2023

Die Arbeitsweise der Künstlerin Petra Hartmann aus Wendhausen erinnert an einen Künstler, den viele Menschen aus dem Fernsehen der 80er und 90er Jahre kennen: Bob Ross mit seinem Malkurs „The Joy of Painting“, in dem er mit sanfter Stimme vor den staunenden Augen seiner Zuschauer Landschaften entstehen ließ und sie motivierte, selbst zum Pinsel zu greifen.

Petra Hartmann benutzt heute dafür viele Social Media Plattformen. Dort kann man auch ihr beim Malen über die Schulter schauen und die Entstehung eines Bildes miterleben. Und das interessiert weltweit unzählige Menschen, die ihr auf den diesen Kanälen folgen.

Das Geheimnis dabei ist, dass man dem Geheimnis zuschauen kann. Im Normalfall produzieren die Künstlerinnen und Künstler ihre Bilder in der Abgeschiedenheit des Ateliers. Wir sehen nie, wie die Werke entstehen und entdecken erst die fertigen Arbeiten an der Wand. Die Videos aber zeigen den Prozess von Anfang der weißen Leinwand über die ersten Pinselstriche bis zum fertigen Bild. Und das ist reine Magie.

Genau so war es früher in der Dunkelkammer. Das Negativ des belichteten Filmes wurde auf das Fotopapier projiziert und im Entwicklerbad erschien Stück für Stück das fertige Foto, das man erst nach dem Fixierbad im hellen Licht betrachten konnte. Das war spannend. Genauso spannend ist es, Petra Hartmann bei der Bildentstehung zuzuschauen, wie ihre vielen Follower beweisen. Mit der Offenlegung des Malprozesses werden Schranken durchbrochen, die den Künstler im Normalfall von seinen Betrachtern trennen.

Im Glashaus, in der ersten öffentlichen Ausstellung von Petra Hartmann, sehen wir die fertigen Bilder, statisch und vollendet. Und was sehen wir? Meist abstrakte Arbeiten voller Licht, Leichtigkeit und Bewegung. Neben dem klassischen Pinsel arbeitet Petra Hartmann gerne mit dem Spachtel und lässt dabei gerade Linien, harte Kanten und durchscheinende Flächen entstehen. In der Serie „New Style“ begegnen sich Flächen und Farben vor pastellenen Hintergründen, in nordischer Kühle und südlicher Unbeschwertheit. Die Bilder wirken durch ihre dynamische und ausgewogene Komposition und lassen sich nicht auf einen erkennbaren Gegenstand reduzieren. Sie strahlen tanzende Bewegungen, offene Freiheit und federhafte Leichtigkeit aus.

Anders dagegen Bilder, die einen realen Bezug haben, wie zum Beispiel zu Landschaften, Städten, Booten und Brücken. Die „Golden Gate Bridge“ wäre ohne den Titel als solche nicht zu erkennen, dann aber wird die Stärke der Abstraktion ganz deutlich. Eine rot-goldene Linie zieht sich wie eine musikalische Partitur dynamisch quer durch das Bild, dahinter Flächen von hellem und tiefem Blau, eine Einheit von Himmel und Meer. Im Bild „Skyline“ erscheinen vertikal gestaffelten Flächen im dunstigen Morgennebel, eine Stadtlandschaft in gold-gelb-schwarz und in doppelter, das heißt gespiegelter Ausführung. Aus unzählig vielen roten und gelben Farbklecksen erwächst im Bild „Sommerzeit“ eine Blumenwiese aus dem quirligen Licht der gelben Sonne. In dem Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit schlägt das Pendel bei Petra Hartmann immer mehr in Richtung des freien Spiels der Formen und Farben.

Wieder ganz anders die Serie der Lebenspunkte. Hier stehen pflanzliche Motive mit geschwungenen und ineinander verwobenen Linien im Mittelpunkt. Es wächst und gedeiht, voller Kraft und Lebendigkeit. Mit kräftigen Farben und starken Kontrasten überlässt sich Petra Hartmann mehr ihrem spontanen Gefühl, das wenig zu kontrollieren ist. Mut, Hoffnung, Entfaltung, Wandlung sind die Titel dieser Arbeiten, die die Tiefe des malerischen Erlebens wiedergeben.