Woher kommen wir und wohin gehen wir?

Juli 2023

Alles begann mit einem Anruf. Es gäbe da noch eine Menge Bilder bei dem ehemaligen Galeristen von Hans-Jürgen Schmejkal. Ob er Interesse hätte, seine alten Werke wiederzubekommen? Keine Frage und eine Autofahrt später kamen mehr als 30 Werke aus den 80er Jahren zurück zum Künstler nach Derneburg. Unbekannt vertraut staunte nicht nur Hans-Jürgen Schmejkal über die Fülle und Kraft seiner Frühwerke.

Jetzt hängen Sie im Glashaus. In gleich zwei Ausstellungen hintereinander, um alles zeigen und sehen zu können. Zu sehen sind Familie, Liebespaare, Frauen, Kinder, Tiere, Tiermenschen, Engel, Masken, Sinnlichkeit, Grausamkeit, Gemeinschaft und psychedelische Tiefen. Alle Bilder gemalt mit Ölfarben, heute von einer Patina überzogen, die eine angenehme homogene Farbstruktur erzeugt.

Ein riesiges Gemälde stellt zunächst alles in seinen Schatten. „Hans im Bilde“ heißt das Hochformat und zeigt einen ehrwürdigen Mann mit Mantel. Doch der Mantel zerläuft in unförmige Gestalten, die aus dem Gewand hervorquellen. Die Formen fließen ins geheimnisvoll Unbekannte und ein weißes fülliges Gesicht lässt das alles entspannt zu. Doch in seinem Schatten erscheint ein zweites unmenschliches Antlitz, spitz, rot und mit gelben Augen. Er scheint der teuflische Verursacher aller unheimlichen Veränderungen zu sein und kann dennoch die friedliche Unbekümmertheit der Person nicht erschüttern.

Gleiches Thema, anderes Bild. Ein wildes Tier mit zwei Köpfen steht mit gefletschten spitzen Zähnen über einem auf dem Boden liegenden Mann. Eine Horrorszene wie aus Jurassic Park, eine alptraumhafte Situation, hilflos, ausgeliefert und verloren. Doch der Mann auf dem Boden liegt mit geöffneten Augen entspannt und ruhig da und transzendiert das Unaushaltbare in Akzeptanz … und bleibt so vielleicht verschont.

Im Kontrast zu diesen Bildern steht eine heilige Familie im Paradies ohne Schlange. Mann und Frau sind sich und den 2 Kindern freundlichst zugewandt, nackt in der grünen Natur vor einem tiefblauen Himmel. Eine wunderschöne Einheit ohne äußerliche Bedrohung. Die gibt es dagegen in dem Bild „goldene Mitte“, wo sich um einen leuchtenden Kreis eine kalt-blaue Menschenwelt bewegt. In der gelb-roten Mitte schützt eine Gestalt mit weit ausgebreiteten Armen ihre Innenwelt vor den zudringlichen äußeren Einflüssen.

Und so geht es munter weiter: Von einem Liebespaar sind nur zwei entzückte Gesichter anatomisch einwandfrei zuzuordnen. Darunter entfaltet sich ein Gewirr von Armen, Beinen, Händen und Füßen, das keiner physischen Realität entspricht. Die Körperteile lösen sich zerfallend auf und in der Tiefe, am Ort der Vereinigung, ein flammendes Rot.

Von allen Bildern aus Hans-Jürgen Schmejkals Frühwerk strahlt Kraft und Intensität aus. Hier malt einer, der es wissen will. Der sich malerisch findet, indem er dem Pinsel ungehemmte Freiheiten gibt. Zurückhaltung war schon damals nicht seine malerische Grundhaltung. Persönliche Erfahrungen und Erlebnisse werden zur Grundlage seiner Bilder, die die Themen der menschlichen Existenz wie Grenzerfahrungen, Liebe, Triebe, Angst, Vertrauen und Selbsterkenntnis auf die Leinwand brennen.

Aus einem anderen Großformat „zügellos in offene Weite“ galoppieren zwei riesige, dunkle Pferde aus dem Bild heraus. Rechts und links ein  Vorhang, wie im Theater, als Hintergrund eine schematische untergehende gelb-rote Sonne und davor eine archaische Frauenfigur. Alle irdischen Gesetze werden hier aufgelöst, eine wilde, nicht beherrschbare unbändige Kraft sprengt die Vertrautheit des Normalen und führt wohin? Das kann niemand vorher wissen, sondern nur der, der sich dieser Kraft überlässt.

Aus dieser Fülle an Bilderwelten muss noch eines besonders hervorgehoben werden. Der „Geburtssprung“, gemalt schon 1976. Ein psychedelisches Gemälde in blendenden rot-gelben Farben und einem spiralförmig sich auftuenden Abgrund in einer surrealen Gebirgslandschaft. Ein nackter Mann springt mit weit geöffneten Armen und überdimensionalen Flügelhänden in den sich drehenden Schlund. Der Beginn des Lebens, so wie ihn der Maler Hans-Jürgen Schmejkal erlebt und der eine der größten Fragen der Menschheit beinhaltet: Woher kommen wir und wohin gehen wir? Wer weiß das schon!