Paul Wilde
Paul Wilde - mirnichtsdirnichts

Aus Grausamkeit entsteht Humor

März 2016

Köpfe, grob gemalt mit deftigen Pinselstrichen, rau, einfach, kraftvoll und dreckig. Das ist auf den Punkt gebracht, die Malerei von Paul Wilde. Immer wieder variiert er das gleiche Motiv. Ein einfacher Umriss eines Schädels, eine riesige Nase, ein großes offenes Auge ohne Lider und ein Mund aus Stacheldraht. Nicht schwer zu erkennen, das ist ein Verbrecher. Der hat keine Hemmungen, dem ist es egal wie er aussieht, der geht über Leichen.

Aus dem lustigen Till Eulenspiegel der Kindergeschichten hat Paul Wilde eine Figur entworfen, die alle Schranken hinter sich lässt. Till begegnet der brutalen Welt mit offenem Blick, ohne sich von ihr unterkriegen zu lassen. In einer Serie von 11 Bildern stehen filigrane Notenblätter als Malgrund in einem hochspannenden Kontrast zu dem deftig gemalten Männergesicht. Es ist ja nicht so, dass Till nichts von den schönen Künsten versteht, sogar mit Baselitz legt sich der Narr gerne an.

In wunderbar präziser und einfacher Malerei begegnet uns Till in verschiedenen Haltungen: er findet alles zum kotzen, wortwörtlich, er ist der böse Soldat, der tötet, er trägt die braune Gesinnung und imitiert Hitler, er hat eins auf die Fresse bekommen und blutet, er ist besoffen und selig und mittendrin auch mal zum Tode verurteilt. Während Tills weit geöffnet Augen seine Verletzlichkeit preisgeben, ist sein Mund Quelle der Grausamkeit.

Dort, wo das Tier Zähne zum Töten hat, prangt bei den Figuren von Paul Wild ein Mund wie ein rostiges Gitter, ein zugesperrter Mund wie bei dem Kannibalen Hannibal Lector aus „Das Schweigen der Lämmer“. Paul Wilde malt keinen Mund, sondern ein Scheunentor von einem Maul, mit Waffen bewehrt und mit Wunden übersäht. Auf einem der großen Bilder, ein weißer Kopf mit roten Lippen, quellen kleine schwarze Formen aus der Mundöffnung. Wie bei „The Green Mile“, wo der zum Tode Verurteilte das tödlich Böse aus sich herausbricht. Die Quelle bei Paul Wilde? Ein kleiner spitzer Vogelmund, der die gleiche Masse durch das Ohr des Delinquenten hineinflüstert.

Auf einem anderen Bild schaut der kahlgeschorene helle Kopf des Tills staunend in eine vor ihm liegende unergründlich tiefe Schwärze. Was er sieht oder fühlt, müsste ihm die Haare, die er nicht hat, zu Berge stehen lassen: ein kaum sichtbares Monster schält sich aus den Tiefen heraus, schwarz wie die Nacht, nur seine weiß blinkenden Zähne lassen die Gestalt erahnen, die sich dahinter verbirgt. Und Till? Schaut hin und läuft nicht weg. Wen sieht er? Jemanden, der ihm vertraut ist, den er kennt! Till schaut in die Abgründe seiner eigenen Person, er konfrontiert sich mit dem Monster, das in ihm wohnt.

Aus dieser Haltung erwächst der Narr, auf den Till Eulenspiegel in den Erzählungen reduziert wird. In den Bildern von Paul Wilde trägt Till oft einen grotesk kleinen dreieckigen Hut auf dem riesigen Kopf. Die Narrenkappe, ein Zeichen dafür, dass aus Tills Verletzlichkeit, gepaart mit der Grausamkeit der Welt, Humor entsteht. Denn anders ist dieses Leben nicht auszuhalten.