Was hat die Kastanienallee mit Beethovens fünfter gemeinsam?

Juli 2016

Hans-Jürgen Schmejkal aus Derneburg ist vom Bildermalen besessen und zeigt im Glashaus doch nur 8 Gemälde und 6 Drucke. Eine sehr kleine Auswahl angesichts eines Gesamtwerkes von fast 2500 Gemälden und einem Vielfachen davon an Zeichnungen und Drucken. Wie ist eine solche Schaffenskraft zu erklären?

Kurz gesagt, es liegt an der künstlerischen Haltung: Hans-Jürgen Schmejkal ist ein Bilder-Finder und kein Bild-Erfinder. Für den Bild-Erfinder ist der kreative Prozess langwierig und anstrengend. Er ringt mit sich und dem Werk, hat Schaffenskrisen, in denen er leidet und Geniestreiche, in denen er sich als der Größte fühlt. Ein Bilder-Finder hat dagegen wesentlich weniger Ego, denn er begreift sich als Werkzeug und nicht als Quelle. Er öffnet seine Sinne und lässt zu, was schon da ist. Bei diesem Prozess gibt der Künstler die Kontrolle auf und versucht, dem Versand ein Schnippchen zu schlagen. Er malt ohne Absicht und öffnet sich dem Unbewussten und dem kollektiven Bewusstsein. Malen wird so zum Abenteuer, bei dem es keine Tabus gibt, weder in Inhalt noch in Form. Oft überraschen ihn dann seine eigenen Bilder.

Die Kehrseite dieser Medaille: Hans-Jürgen Schmejkal muss malen. Er ist seinem Schaffensprozess ausgeliefert, denn er hat eine Quelle geöffnet, die er nicht mehr schließen kann. Wie kommt man dazu? Drogenerfahrungen ist die eine Tür, lebenslange Übung die andere. Hans-Jürgen Schmejkal, inzwischen im Alter von 75 Jahren, ist durch beide gegangen und behält die immerwährende Beschäftigung mit der Kunst bei. Die Begegnung mit einer solch geballten Kreativität und Bilderwut kann einschüchtern. Deshalb ist es gut, dass im Glashaus nur wenige Bilder hängen. Und von denen lohnt sich der Blick besonders auf ein Bild.

Das große Gemälde zeigt die Kastanienallee bei Derneburg. Eine Naturschönheit als Vorbild für die Kunst. Genügt es, dieses Bild von einer Allee gekonnt abzumalen? Natürlich nicht, denn die Malerei ist immer eine Kunst parallel zur Natur, geformt nach ihren eigenen Gesetzen. Hans-Jürgen Schmejkal malt mit schnellem Strich eine expressionistische Landschaft mit explodierenden Farben. Da kann ein Baum auch rot leuchten und die Formen dürfen sich durchdringen und überlagern.

Was interessiert den Künstler an dieser Allee? Wenig die äußere Wirklichkeit als vielmehr das innere Erleben. Hans-Jürgen Schmejkal malt mit der Unbekümmertheit eines Kindes und mit wissender Intuition. In diesem Bild trifft das malerische Wissen auf den spontanen Zufall. Der Titel frei nach Beethovens 5. Sinfonie „Durch Nacht zum Licht“ zeigt, dass es ihm nicht um Abbildung sondern um Erkenntnis geht. „Woher kommen wir?“ und „Wohin gehen wir?“ sind die grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz, die das Bild nicht beantwortet, aber den Weg aufzeigt. Der Dualismus von Hell und Dunkel, Gefühl und Verstand und Krieg und Frieden wird darin aufgelöst und als Einheit betrachtet. Wunderschön!