Der Mensch würde hier nur stören

Mai 2023

Es gibt diesen Moment, wenn man nach ein paar Tagen Urlaub wieder nach Hause kommt und seine vertraute Heimat mit ganz neuen Augen sieht. Das gleiche Gefühl entsteht in der Fotoausstellung „Magie der Landschaft“ von Franziska Lenferink, die im Mai im Derneburger Glashaus zu sehen ist. Ihre Fotos offenbaren die atemberaubende Schönheit der Landschaft rund um Hildesheim, deren Einzigartigkeit wir im Alltäglichen oft nicht mehr wahrnehmen.

So viel Idylle, wie die Bilder der Hildesheimer Fotografin ausstrahlen, ist kaum auszuhalten. Da kommt die Frage auf, darf denn etwas einfach nur ungebrochen schön sein? Wir leben doch mitten im Klimawandel, tragen die Folgen der Energiekrise und sehen täglich die Nachrichten über Krieg und Terror in der Welt. Auch unsere Heimat ist nicht nur schön, sondern auch von den weltweiten Konflikten betroffen.

Es muss aber auch gesagt werden: Wir leben in einem Overkill von schlechten und schlimmen Nachrichten. Und das ist kaum auszuhalten. Da tut es einfach mal richtig gut, die Welt so zu sehen, wie sie auch ist: voller wunderschöner Tiefe, Weite und Stille, unendlich reiche Natur, die sich nicht darum schert, was die Menschen tun oder nicht tun. Und diese Erfahrung schenkt uns Franziska Lenferink mit ihren Foto-Bildern.

Sie durchstreift die Landschaft zu jeder Jahres- und Tageszeit, am liebsten aber, wenn die Sonne tief steht. Sie liebt das Zwielicht, den Nebel, den Sonnenauf- und -untergang und den Wechsel der Jahreszeiten. Und so gelingen ihr Bilder voller Poesie, die die Erhabenheit der Natur zeigen, die Faszination des Lichts und den Reichtum der Farben. Sie zeigt die wuchernde Präsenz der Buschwindröschen im Frühlingswald, dampfende Teiche im aufsteigenden Morgennebel, die undurchdringliche Tiefe des farbigen Herbstlaubes, die Kraft des Lichtes im aufbrechenden Himmel, die tönende Tiefe einer unbeweglichen Winterlandschaft, die betörende Spiegelung der Formen und Farben im Wasser, die friedliche Abendstimmung am ruhigen Wasserlauf und vieles mehr.

Die großformatigen Fotos von Franziska Lenferink bewegen sich auf der Grenze zwischen Malerei und Fotografie. Dazu trägt auch der Leinwandhintergrund der quadratischen Bildfläche bei, der den Fotos eine zusätzliche Struktur und Weichheit verleiht. Schnell stellt sich ein leichter Zweifel ein: „Das kann doch gar nicht wahr sein“, denn so erhöht hat man das Bekannte und Vertraute selten gesehen.

Man kennt zum Beispiel von Ausflügen den Marienroder Klosterteich mit der Trauerweide in der Mitte, die jetzt allerdings schon verschwunden ist. Auf dem Foto von Franziska Lenferink spiegelt sich wie im Bühnenlicht ein gold-gelber Traumbaum in voller Größe im nebligen Wasser und wird von dunklen Bäumen im Halbschatten umrahmt. Die bekannte Badestelle an der Innerste in Groß Düngen, kurz vor dem Wehr, strahlt im Morgennebel und gibt den Blick auf eine sonnendurchflutete Wiese frei. Noch hat niemand diese Idylle berührt. Das Bootshaus am Mariensee in Derneburg versteckt sich inmitten einer dicht gedrängten Fauna mit intensivster Farbigkeit, die sich im Wasser wiederholt. Alle Fotos von Franziska Lenferink sind frei von Menschen, denn es ist eindeutig, die würden hier nur stören.

Und so ist es tröstlich, dass die Natur die Unvollkommenheit und Zerstörungswut der Menschen überlebt. Ihre göttliche Schönheit existiert unabhängig von uns, ist aber immer bereit, uns an ihrer lebendigen Tiefe teilhaben zu lassen. Da wir oft genug blind daran vorbeilaufen, ist es gut, eine Mittlerin wie Franziska Lenferink zu haben und die Welt mit ihren Augen zu sehen.